Tria principia

Allgemein ausgedrückt ist Alchemie (Feuer- oder Scheidekunst), die geheime Kunst die Körper und Produkte der Natur in ihre Bestandteile auseinanderzusetzen, zu reinigen und wieder zu einem neuen Körper zu vereinigen. Um die verschlüsselten Verfahren und Anweisungen der alchemistischen Scheidekunst zu verstehen, kann ein Nebenzweig der mineralogischen Alchemie, die Alchemie der Pflanzen herangezogen werden. Man kann die alchemistische Arbeit im Pflanzenreich, so wie der deutsche Autor Manfred M. Junius (* 1929 † 2004), als kleines Werk (Opus minor) bezeichnen, die mineralogische Alchemie, die Arbeit im Mineralreich hingegen als großes Werk (Opus magnum).

Manfred M. Junius war Professor für Medizin und Biologie an der Universität von Kalkutta, Alchemist und Gründer der Spagyrik Firma Australerba. 1982 erschien sein Buch „Pflanzenalchemie“ auf Deutsch und gehört bis heute zu den Standardwerken der Spagyrik. Der Leser erhält nicht nur eine profunde Einführung in die Geheimnisse alchemistischen Denkens, sondern auch konkrete Anleitungen zu den alchemistischen Verfahren. Im Buch wird das Verfahren für den Pflanzenstein oder das Opus Minor beschrieben, von dem manche Alchemisten glauben, dass diese Arbeit, mit Ausnahme der benutzten Materialien mit dem großen Werk identisch ist. Manche behaupten sogar, dass die Beherrschung des Pflanzensteins notwendig ist, bevor das große Werk vollendet werden kann. Eine andere empfehlenswerte Einführung in die Alchemie der Pflanzen ist das Buch von John H. Reid: „Kursus der praktischen Pflanzen-Alchemie“. Im theoretischen Teil gibt der Autor leicht verständliche Erläuterungen der drei alchemistischen Grundelemente Sulphur, Sal und Mercurius. Im praktischen Teil wird ebenfalls das Minor Opus”, das Kleine Werk ausführlich beschrieben.


Die Arbeiten und Verfahrensschritte bei der Verrichtung des pflanzlichen Werkes entsprechen genau denen des mineralischen Werkes. Mit dem Unterschied, dass die komplexen, verschlüsselten Verfahren der mineralogischen Alchemie für Uneingeweihte nur schwer nachvollziehbar, die Verfahren der pflanzlichen Alchemie hingegen leicht nachvollziehbar und mit genau den im alchemistischen Schrifttum beschriebenen Resultaten umsetzbar waren.


Die Pflanzenalchemie geht wie die mineralogische Alchemie von der Existenz von drei Grundelementen für die physikalische Beschaffenheit in der Natur aus: Mercurius, Sulphur und Sal. Pflanzenalchemie, wie auch die mineralogische Alchemie beruht auf dem Trennen dieser drei Elemente, deren Reinigung und der Wiedervereinigung. In allen drei Reichen, dem Mineralreich, dem Pflanzenreich und dem Tierreich, ist auf der Ebene des Materiellen der Mercurius stets eine flüssige, flüchtige Substanz, der Sulphur eine flüssige, ölige Substanz und dass Sal eine Substanz von fester Konsistenz. Im Pflanzenreich ist der Äthylalkohol der Trägersubstanz des Mercurius. Äthylalkohol kommt in der Natur nicht in freier Form vor, aber er kann mithilfe von Gärung (Putrefaktion) und anschließender Destillation gewonnen werden. Der Mercurius ist anonym, also nicht an eine bestimmte Pflanzen-Spezies gebunden, während der Sulphur und dass Sal ausschließlich der jeweiligen Spezies zugehören. Der Mercurius kann daher zu jeder Zeit von außen ersetzt werden. Im Pflanzenreich ist der Mercurius stets der gleiche. Trägersubstanz des Sulphur sind im Pflanzenreich die ätherischen Öle. Es sind entweder flüchtige Flüssigkeiten, seltener bei gewöhnlicher Temperatur feste Körper. Trägersubstanz des Sal ist das Kaliumkarbonat. Die wasserlöslichen Salze bestehen hauptsächlich aus Kaliumkarbonat und etwa 10-20 % anderen Salzen wie Kaliumsulfat, Kaliumchlorid.


Eine der ersten Fragen, die sich der Alchemist stellen muss, ist die Frage nach der Materia Prima, denn mit ihr fängt die alchemistische Arbeit an. Die zweite Frage ist die nach der grobstofflichen Struktur der Tria prima. Alle Körper haben eine Salz- Mercurium- und Schwefelkomponente gebunden an ihre jeweiligen Trägersubstanzen. Die Alchemisten sagen, dass ohne die richtige Beantwortung dieser Fragen die alchemistische Arbeit weder begonnen oder zu einem vollkommenen Ende gebracht werden kann. Erschwerend bei der Antwortsuche ist, dass es zahlreiche verschiedene symbolische Begriffe für jede der verwendeten Substanzen gibt.


Die Bestätigung seiner Interpretationen suchte der Alchemist aber meist im Laboratorium, wobei er seine dort gemachten Erfahrungen und Erkenntnisse manchmal wie eine Sprache behandelte. Die Alchemisten hielten zwar ihre Verfahren und Arbeitsgänge geheim, die verwendeten Substanzen wurden jedoch in der Regel richtig beschrieben, was z.B. Aussehen, Aggregatzustand oder die Farbe betrifft. Eine weitere Möglichkeit, das alchemistische Weltbild verständlicher zu machen, ist die Hermeneutik. Die Hermeneutik (altgriechisch "hermēneúein"‚ erklären‘, ‚auslegen‘) beschäftigt sich mit der Bedeutung hinter den offensichtlichen Bedeutungen. Sie ist die Kunst der Interpretation von Texten und des Verstehens. Die Kunst der Schriftauslegung wurde den Menschen von Hermes-Merkur, dem Gott der Kommunikation, überbracht. In der Antike und im Mittelalter diente die Hermeneutik als Wissenschaft der Auslegung (Exegese) grundlegender Texte, besonders der Bibel. Um die alchemistischen Texte zu verstehen, lohnt sich daher der Versuch zwischen den Zeilen zu lesen, um das nur angedeutete, eigentliche wahrzunehmen, dass der Verfasser nicht wörtlich aussagt, aber ausdrücken will. Die Wahrheit muss in den von den Alchemisten beschriebenen Verfahren selbst gesucht werden, denn dort liegt sie verborgen. Die Alchemisten gaben in ihren Texten weder konkrete Anweisungen noch verbargen sie deren Sinn völlig, vielmehr deuteten sie an. Ohne Interpretation bleiben die Texte kryptisch. Mithilfe der alten Wissenschaft Hermeneutik kann man die Texte auslegen und vielleicht verstehen.


Die Alchemisten waren in eine geheime Welt von Zeichen und in eine Gemeinschaft eingebunden, die eine gemeinsame verschlüsselte Sprache verwendete. In ihren Texten ist ein verborgener Sinn enthalten; diesen herauszulesen, ist die zu lösende Aufgabe. Die Alchemisten haben in ihren Werken nie die ganze Wahrheit geschrieben, sie haben aber genügend Hinweise hinterlassen, um den richtigen Weg zu finden.


Eine noch weitestgehend unerforschte Möglichkeit der Interpretation alchemistischer Texte bietet die biblische Numerologie. Diese Art der Interpretation gründet sich auf dem Buch der Weisheit 11:20 (Liber Sapientiae), Zitat: ".er hat alles in Maßen, Nummern und Gewichten geordnet". Das Liber Sapientiae gehört zu den biblischen Texten und enthält Weisheitssprüche, welche dem legendären König Israels Salomo zugeschrieben werden. Biblische Numerologie ist die hermeneutische Technik der Interpretation von Worten mithilfe von Zahlen. Dabei werden Buchstaben nach unterschiedlichen Schlüsseln in ihre entsprechenden Zahlenwerte überführt, um aus diesen Bedeutungen zu erschließen und Beziehungen herzustellen.


Auch die klassische Numerologie kann zur Interpretation alchemistischer Texte herangezogen werden. Seit der Antike benutzen Menschen numerische Systeme, um zu forschen. Bereits im babylonischen Kulturkreis wurde ein System der Deutung von Zahlen entwickelt. Der Schweizer Arzt und Chemiker Theophrastus Aureolus Bombastus von Hohenheim (* 1493 † 1541), der sich selber Paracelsus nannte, schreibt über die Alchemie in seinem Buch Paragranum, Zitat: "Die Natur gibt nichts an Tag, das auff sein stadt vollendet sey, sondern der Mensch muss es vollenden: diese Vollendung heißt Alchymia". Da wo die Natur aufhört, fängt die Kunst an und diese Kunst ist die Alchemie. Der Alchemist lernt von der Natur, arbeitet mit der Natur, um diese zu verbessern und zu vervollständigen. Die wahren Alchemisten benutzten die Mittel der Natur und ahmten ihre Verfahren nach. Die Natur ist der erste Alchemist. Sie verändert einen Stoff durch physikalische Beeinflussung im Laufe der Zeit, ohne etwas hinzuzufügen, nämlich durch Wärme, Kälte, Luft und Wasser. Diese transformierenden Medien benutzt sie zur energetischen Beeinflussung und mechanischen Transformation der Stoffe.


Einen ganz anderen Lösungsansatz bietet die moderne Wissenschaft. Die alchemistischen Verfahren sind auch heute noch für Wissenschaftler nur schwer nachvollziehbar. In unserem in der Erforschung der Natur weit fortgeschrittenen Zeitalter, scheint die Alchemie keine Daseinsberechtigung mehr zu haben. Sie ist dem modernen Menschen fremd geworden. Im 16. und 17. Jahrhundert definierten viele Zeitgenossen die Alchemie fälschlicherweise als betrügerische Goldmacherei. In Wirklichkeit war das eigentliche Ziel eines jeden wahren Alchemisten die Naturerkenntnis. Die Alchemisten haben im Verlauf der Jahrhunderte viel Mühe und Arbeit aufgewandt, um die Natur zu erkunden. Das Weltbild der Alchemisten lässt sich aus den theoretischen Überlegungen der ersten Naturphilosophen ableiten, welches im Wesentlichen neben der Laborarbeit, auch auf Naturbeobachtung basierte. So gewannen die frühen Alchemisten, sowie auch heute noch die Naturwissenschaftler ihre Erkenntnisse, die dann durch Experimente bestätigt wurden. Es lohnt sich also die alchemistischen Texte aus dem Blickwinkel der modernen Chemie, Physik und insbesondere auch der Biologie zu betrachten.


Nach dem bedeutenden deutschen Physiker, Nobelpreisträger und Begründer der Quantenphysik Max Planck, besteht jede Materie aus verdichteter Energie. Grundsätzlich ist alles Energie und aus „geformter“ Energie wird Materie. Materie ist geformte Energie, die erst aufgrund ihres dichten energetischen Zustands physisch sichtbar wird. Mit diesen Wechselwirkungen zwischen Materie, Energie und dem Verhalten der kleinsten Materieteilchen befasst sich die Quantenphysik. Dazu bedient sie sich mathematischer Strukturen, um physikalische Prozesse zu beschreiben. Wichtigstes mathematisches Konstrukt und Herzstück der Quantenphysik ist dabei die sog. Wellenfunktion (Psi Ψ). Nach der Quantenphysik besteht die materielle Welt aus geladenen Teilchen, die in Wirklichkeit aber keine Teilchen sind, sondern Wellen (Schwingungen), die sich zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort bewegen. Energie und Materie sind nur Manifestationen von Schwingungen unterschiedlicher Frequenzen. Die Erkenntnis aus der Quantenphysik, das Energie und Materie eigentlich dasselbe sind, hat der deutsche Physiker Albert Einstein (*1879 - †1955) in seiner weltberühmten Formel (E = mc2) ausgedrückt. In der Gleichung steht das Zeichen m für Masse; Masse ist dabei die gesamte Menge an Materie in einem Objekt, im Grunde nur dicht gepackte, schwingende Energie.


Die Alchemisten hatten eine eigene Sichtweise vom Aufbau der Materie. Sie glaubten, dass alle Materie, aus drei Grundelementen, die sie mit Mercurius, Sulphur und Sal bezeichneten und Tria principia oder auch Tria prima nannten, besteht. In der alchemistischen Abhandlung „Tractatus de Medicina universali (Frankfurt 1678) des deutschen Alchemisten Johannes Mondschneider (* um 1625 † 1670), der sich selbst de Monte Snyders nannte, steht geschrieben: „Deshalb so wisse fürs erste, dass alle Dinge aus drei Wesen in solch und solche Leiber formiert und gemacht sind. Die Elementa der Metalle sind ihre drei anfangenden Matrices, Mercurius, Sulphur und Sal“; Snyder soll 1660 in Wien am Hofe des Kaisers Leopold I in Gegenwart des Kaisers ein Pfund Blei in Gold verwandelt haben. Er soll 1667 eine ebenfalls aufsehenerregende Transmutation in Aachen vollbracht haben, was bedeutet, dass er im Besitz der Tinktur gewesen sein muss. Man sollte seinem Tractatus de medicina universali daher erhöhte Aufmerksamkeit schenken, zumal die dort enthaltenen alchemistischen Operationen auch im „De Pharmaco Catholico“ beschrieben werden, was wiederum den Schluss nahelegt, dass es sich um ein und dasselbe Werk handelt. Newton der sich intensiv mit den Werken Snyders auseinandergesetzt hat, und diverse alchemistische Rezepte aus dessen Werken abzuleiten versucht hat, schreibt den De Pharmaco Catholico jedenfalls Monte-Snyder zu. Auch der US-amerikanische Wissenschaftshistoriker Lynn Thorndike (*1882 - †1965) sieht den medicina universalis als identisch an mit dem De pharmarco Catholico.


Die Bezeichnungen Mercurius, Sulphur und Sal sind symbolisch und stehen für etwas ganz Anderes. Auf der atomaren Ebene entspricht Mercurius dem Elektron, Sulphur dem Proton und Sal dem Neutron.


Der griechische Philosoph Demokrit (etwa 400 v. Chr.) führte mit seiner Lehre des atomistischen Materialismus alles Geschehen in der Natur auf das Zusammenspiel elementarer natürlicher Abläufe zurück. Er äußerte als erster die Vermutung, dass die Welt aus unteilbaren Teilchen - (griechisch a-tomos = unteilbar) Atomen - bestände. Alle Eigenschaften der Stoffe ließen sich, nach Meinung Demokrits, auf die Abstoßung und Anziehung dieser kleinen Teilchen erklären.


Die Tria principia entsprechen auf physischer Ebene den drei Grundtypen der chemischen Bindung. Sulphur entspricht der Atombindung (kovalente Bindung), Mercurius der metallischen Bindung und Sal der ionischen Bindung, so wie die 4 Elemente physikalisch den klassischen (fest, flüssig, gasförmig) und nicht-klassischen Aggregatzuständen (Plasma) entsprechen.


Die kovalente Bindung (auch Atombindung) ist eine Form der chemischen Bindung, die bei Atomen in molekular aufgebauten chemischen Verbindungen vorliegt. Kovalente Bindungen bilden sich besonders zwischen den Atomen von Nichtmetallen. Bei kovalenten Bindungen spielt die Wechselwirkung der Außenelektronen der Elektronenhüllen der beteiligten Atome die tragende Rolle. Die Atome bilden zwischen sich mindestens ein Elektronenpaar aus. Dieses Elektronenpaar hält zwei Atome zusammen. Neben einem bindenden Elektronenpaar (Einfachbindung) können auch zwei oder drei Elektronenpaare wirken (Doppelbindung bzw. Dreifachbindung). Doppelbindungen sind stärker und kürzer als Einfachbindungen. Doppelbindungen sind elektronenreich, was sie reaktiv macht.


Beispiel: Doppelbindung zwischen C und H in Benzol (C6H6): Ein Benzol-Molekül besteht aus sechs C-Atomen, die abwechselnd durch C-C-Einfach- und C=C-Doppelbindungen miteinander verbunden sind, sowie sechs H-Atomen. Das ganze Molekül hat eine ebene Struktur. Als Metallische Bindung (auch Metallbindung) bezeichnet man die chemische Bindung, wie sie bei Metallen vorliegt. Die Außenelektronen der Metalle sind nur schwach gebunden und können daher leicht vom Atom abgetrennt werden.


Die ionische Bindung (auch Ionenbindung) ist eine chemische Bindung, die aus der elektrostatischen Anziehung positiv und negativ geladener Ionen resultiert. Charakteristische Eigenschaften von Verbindungen mit Ionenbindung sind ein hoher Schmelz- und Siedepunkt, sie sind hart und spröde, es erfolgt Kristallbildung als Feststoff, sind oft farblos; Ionenverbindungen sind in Wasser löslich, allerdings in sehr unterschiedlichem Maß. Beispiel: Ammoniumchlorid (NH4Cl) ist sehr gut in Wasser löslich, Silberchlorid dagegen nahezu unlöslich.


In einem 1842 erschienenen alchemistischen Werk „Die Lehre von den Elementen bei den Alten“ von einem anonymen Autor, steht geschrieben: Zitat: "Aus dem ersten Einen werden zwei, die sind: spiritus (Energie) und corpus (Materie). In diesen sind die drei: Mercurius, Sulphur und Sal. In diesen dreien sind die vier: Feuer (Plasma), Luft, Erde und Wasser“.



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