Das große Werk

Das Wort Alchemie  stammt vermutlich von dem arabischen Wort al-ḫīmiyā oder al-kīmiyā und bedeutet „Stoff aus Ägypten“. Die Bedeutung des Wortes ist bislang nicht sicher geklärt. Es gibt verschiedene Bedeutungen. Alchemie könnte auch aus dem ägyptischen Kemeia (das Schwarze) und dem arabischen Artikel El kommen.

Es bedeutet die Wissenschaft von der schwarzen Erde. Damit könnte die erste Stufe im vierstufigen Prozess zur Herstellung des Steins der Weisen gemeint sein, die „Schwärze“ (nigredo), der Anfang und Urzustand der Materie. Die Herstellung des Steins der Weisen sollte in mehreren Schritten erfolgen: Aus einem geheim gehaltenen Ausgangsstoff, dem Stein der Alchemisten, muss zunächst die materia prima erzeugt werden. Dieser sollen über verschiedene chemische Prozesse schrittweise die richtigen Elementqualitäten zugemischt werden, um am Ende den Mercurius philosophorum zu erhalten, die Vorstufe zum Stein der Weisen. Indikatoren für den Erfolg waren dabei die Farbwechsel der Mischung in der richtigen Reihenfolge. Das große Werk begann mit der Farbe Schwarz (nigredo). Man bezeichnet diesen Zustand auch als materia prima. Als weitere Prozesse schließen sich die Phase der „Weißung“ (albedo), „Gelbung“ (citrinitas) an und enden in der höchsten Stufe der „Rötung“ (rubedo).


Der Alchemist Johann Rudolf Glauber (*1594 -1668) erklärt den Namen Alchemie in seinem Werk "Tractatusd e natura salium" (Amsterdam, 1659) mit aus Hal-chimia entstanden, (heißt Salzkochung) und diese Erklärung passt zu der Aussage der Alchemisten: „Wer kein Salz hat kann keinen Azoth herstellen“. Das ganze Geheimnis besteht im Salz, sowie in dessen Auflösung“. Dieser Vorgang ist ein Teil des großen Werkes: „die Flüchtigmachung der Salze“. Eine andere plausible Übersetzung könnte schwarzes Blei sein, das Blei der Weisen. Die Suche nach diesem Blei der Weisen, vom Volksmund auch Stein der Alchemisten genannt, war die erste Aufgabe des Alchemisten. Es handelt sich tatsächlich um einen Stein, denn er weist, wenn er aus der Erde geholt wird, die gleichen äußeren Merkmale auf, die allen Steinen gemeinsam sind. Der Alchemist Rosinus, auch bekannt als Zosimus aus Panapolis, nennt den Stein der Alchemisten Bleierz, jedoch ist es kein gemeines Blei, sondern eines einer anderen Art.

 

Die alchemistischen Literatur liefert deutliche Hinweise: „Es gibt zwei Saturni, einer der Metalle (Blei) der andere der Weisen, der bin ich! Lerne diesen Schmutzbart kennen, so fehlst du mein nicht, des einzigen Dinges, das mit vielen Namen getauft ist. Ich bin der Erze Mutter, ein Wesen zum Wachstum, auch der Metallen; nicht gemeiner, sondern unser Vitriol ist der Metallen Mutter. Mein grauer Kittel zeiget, daß meine Wohnung nichts sauberes sey: denn mein Haus und ich sind schwarz. Alle Geheimnisse stecken im Blei, aber nicht im gemeinen Blei, sondern im brüchigen und schwarzen Silberglett“. Es ist ein schwarzer Stoff. Lerne diesen Schmutzbart kennen und du kennst die Materie“. Dieses einzige Ding, das alle Alchimisten suchen, ist das Mineral, worin die Metalle noch in der Wurzel stecken.

Welcher Art alchemistische Verschlüsselungen sein konnten, zeigt folgendes Beispiel (siehe Bild links) anhand des hebräischen Zahlencodes: Das Wort Saturni mit dem hebräischen Zahlencode  (Numerologie) verschlüsselt ergibt den Zahlenwert VIER; das Wort Steinkohle mit dem hebräischen Zahlencode verschlüsselt ergibt ebenfalls den Zahlenwert VIER. Ein anderes Wort für Steinkohle war Saturnus philosophorum (Zahlenwert Sechs). Steinkohle entstand aus dem Mineralreich (das Mineralreich wird im Naturkreislauf durch die Zahl vier, die Zahl der Materie symbolisiert) dem Pflanzenreich (das Pflanzenreich wird im Naturkreislauf durch die Zahl fünf symbolisiert) und dem Tierreich (das Tierreich wird im Naturkreislauf durch die Zahl sechs symbolisiert).  4 + 5 + 6 = 15 (= 6)

Die Alchemisten sagen: „Visita Interiora Terrae Rectificando Invenies Occultum Lapidem”, „Suche das Innere der Erde auf und durch Reinigen wirst du den geheimen Stein finden“ , das heißt: "Untersuche das Innere der Erde (und zwar unserer, des Bleies der Weisen Erde) und durch Läuterung wirst du den verborgenen Stein (das grüne Salz der Metalle, den Vitriol) finden". Diese Formel findet sich auch in einer etwas anderen Übersetzung in der dem Alchemisten Basilius Valentinus zugeschriebenen Schrift „L’ Azoth des philosophes“: Betrachte, was im Inneren der Erde liegt: indem du es läuterst, wirst du einen zuvor verborgenen Stein erhalten. Die Anfangsbuchstaben der lateinischen Worte ergeben den Namen VITRIOL, eine verschlüsselte Bezeichnung mancher Alchemisten, für die prima materia, dem geheimnisvollen Ausgangsstoff zur Bereitung des Steins der Weisen. Es handelt sich dabei nicht um das unter dem Trivialnamen Vitriol bekannte gewöhnliche Eisen(II)sulfat, FeSO4·7H2O (grünes Vitriol), oder Kupfersulfat, CuSO4· 5 H2O, (blaues Vitriol), sondern um das Vitriol der Weisen.


Die Alchemisten sagten: "Das wahrhaft klassische Subjekt ist das Vitriol der Weisen, der Mercurius saturni, der grüne Löwe oder Drache, gezogen aus der schwarzen Erde, der schwarzen Magnesia, oder dem Blei der Weisen". In der Alchemie wurde das auflösende Wasser, das Azoth in dem das Gold solviert werden musste, als "Grüner Löwe" oder "grüner Drache" bezeichnet. Diese Flüssigkeit stand am Anfang des "großen Werkes", der Herstellung des "Steins der Weisen". Die Vollendung des großen Werkes führte dann zur Rubedo, dem Stein der Weisen bzw. der roten Tinktur. Der Stein der Weisen wurde von den Alchemisten „roter Löwe“ genannt, weil er mit Gold erzeugt wurde und in der höchsten Stufe des Werkes eine rote Farbe annahm.


Gegen Ende des sechsten Jahrhunderts lebte in Alexandrien der arabische Philosoph Adfar, von dem berichtet wird, dass er in der Alchimie hervorragende Kenntnisse besessen hätte. Dies veranlasste einen jungen Römer, Morienus nach Alexandrien zu ziehen und dort Schüler des Adfar zu werden. Morienus war dann Lehrer des Khalid (*668 - †704), eines Statthalters von Ägypten, der mehrere alchemistische Werke verfasst haben soll: "Das Paradies der Weisheit", "Das Geheimnis der Geheimnisse" und "Gespräche mit Morienus".


In den Gesprächen mit Morienus heißt es: "Der Stein der Alchemisten ist ein schwarzer Stein, vulgär, billig, von einigem Gewicht. Es ist ein komplexes Mineral und enthält Schwefel". Morienus selbst sagt, Zitat: „Gott und diesen Stein, der alles hat, und bedarf keiner anderen Hilfe“.


Im Allgemeinen wird der Stein der Alchemisten als etwas beschrieben, das überall in der Natur vorkommt, von den meisten Menschen aber als wertlos angesehen wird. Der Stein ist einzigartig und trotzdem im Besitz von reich und arm. Der Stein wird im Haushalt verwendet. Jedermann kennt ihn und einige treiben Handel mit ihm.


Genauso beschreibt im 3./4. Jahrhundert den Stein der Alchemisten der griechische Alchemist Zosimos aus Panopolis: „Dieser Stein, der kein Stein ist, dieses kostbare Ding, das ohne Wert ist, dieses mehrgestaltige Ding, das keine Form besitzt, dieses unbekannte Ding, das jeder kennt“. Der Alchemist Fulcanelli sagt, er hätte diesen Stein 25 Jahre lang gesucht, ohne ihn zu finden, obwohl er ihn ständig bei sich, unter seinen Augen und in seinen Händen gehabt hätte. Es ist ein schwarzer Stein. Er ist trocken und hart. Man kann ihn pulverisieren, wie alle Steine.


In einem alchemistischen Gedicht steht:


Es ist ein Stein, und doch kein Stein, in welchem liegt die Kunst allein.
In hat so die Natur gemacht, doch zur Vollkommenheit nicht bracht.
Darinnen liegt die ganze Kunst. Wer hat desselben Dinges Dunst.
Des roten Löwen güldnen Schein, Mercurium ganz rein und fein.
Und darin den roten Sulphur kennt, der hat das ganze Fundament.


Der italienische Alchemist Bernhardus Trevisanus (*1406 - †1490) schreibt über den Stein der Alchemisten, man solle nach ihm weder im mineralogischen, noch im vegetabilischen, noch im animalischen Reich suchen, denn er sei in keinem der drei Reiche zu finden, sondern gehöre allen drei Reichen an. Er besteht aus tierischen, pflanzlichen und mineralischen Bestandteilen. Wenn man ihn gefunden hat, muss man ihn in einem mehrstufigen Prozess veredeln. Nach eigenen Angaben will Trevisanus nach vielen Reisen (u.a. durch Italien, Spanien, England, Frankreich, Deutschland) und Kontakten mit anderen Alchemisten im Jahr 1481 auf der Insel Rhodos nach zwei Jahren intensiver Experimente mit Unterstützung eines Priesters den Stein der Weisen hergestellt haben. Der Naturwissenschaftler, Altertumskundler und Alchimist Dr. Karl Arnold Kortum (*1745 - †1824) aus Bochum, hat sich auch intensiv mit der Kunst der Metalltransmutation beschäftigt. 1796 gründete er mit Johann Christoph Friedrich Bährens die alchimistische Hermetische Gesellschaft, die nur aus diesen beiden Mitgliedern bestand. In seiner Interpretation der Sybillischen Weissagungen –eine im 6. Jahrhundert zusammengestellte Sammlung von vermeintlich prophetischen Schriften, erklärt er, dass jene, dort als Grundstoff zur Materia Prima genannte pechige Masse, die Steinkohle sei. Der Alchemist Stephanos Alexandrinos, der um das Jahr 615 in Alexandrien lebte, schrieb neun Ausführungen von der Goldbereitung.

Seine Ausführungen enthalten ein griechisches Sylbenrätsel, welches die Alchemisten seit dem 7. Jahrhundert beschäftigt. Lange Zeit wurde Arsenik für die Lösung gehalten, bis im Jahr 1700 der Jenaer Professor Wolfgang Wedel meinte, Zinn sei das gesuchte Lösungswort. Für Kortum hieß die Lösung jedoch Steinkohle. Er vertrat sogar die Auffassung der Stein der Weisen (Lapis Philosophorum) könne ohne die Steinkohle nicht hergestellt werden.

Echte Alchemisten, sogenannte Adepten hingegen hat es insgesamt wohl nur wenige gegeben. Einer der bekanntesten, aber bis heute nicht eindeutig identifizierter Alchemist, den viele für noch größer als Dschābir ibn Hayyān (lateinisiert Geber), Arnaldus de Villanova und Raimondo Lullo (deutsch: Raimundo Lullus) hielten, war Basilius Valentinus ein bisher aber nicht eindeutig identifizierter deutschsprachiger Benediktinermönch, der im Jahre 1413 im St. Peterskloster zu Erfurt gelebt haben soll. Das eben dieser Basilius Valentinus im Kloster als Arzt gewirkt haben soll, wurde durch den Geschichtsschreiber J. M. Gudenus in seiner Geschichte der Stadt Erfurt „Historia Erfordiensis" (1675)“ so bestätigt. Spätere Nachforschungen eines Just. J. Ch. Motschmann,  ergaben, dass in den Ordensmatrikeln der Benediktiner kein B. Valentinus erwähnt ist (Erfordia Literata, 1729,32). In den Ordensmatrikeln werden alle Daten, hinsichtlich Name und Verleihungsdatum der mit einem Orden Beliehenen, archiviert. Die Ergebnisse von Motschmann müssen jedoch relativiert werden, denn möglicherweise hat B. Valentinus nie einen Orden erhalten, sodass er in den Ordensmatrikeln der Benediktiner auch keine Erwähnung fand. Was die eigentliche Alchemie betrifft, so bekennt sich Valentinus ausdrücklich dazu, dass er den Stein der Weisen selbst bereitet hat. Der Legende nach soll er diesen im Peterskloster verborgen haben. Das ältere Kloster aus dem Jahr 1060 wurde bei einem Stadtbrand 1080 völlig zerstört. Der Neubau von 1103 bzw. von 1127 ist aber noch weitestgehend vorhanden. 


Die Herstellung des Steins beschreibt Basilius Valentinus in seinem Werk „Chymische Schriften“ aus dem Jahr 1677: „Zwölff Schlüssel, Fratris Basilii Valentini, Ordinis Benedictini“. Dadurch die Thüren zu dem uhralten Stein unser Vorfahren eröffnet / und der unerforschliche Brunnen aller Gesundheit erfunden wird“. Er muss aber zunächst nur im geheimen als Alchemist gewirkt und geschrieben haben, denn sein Werk war erst ab 1599 allgemein verfügbar. Heute nimmt die Mehrheit der Forscher an, dass der deutsche Alchemist Johann Thölde (* um 1565, † um 1614), der zwischen 1599 und 1604 die ersten Basilius-Schriften veröffentlichte, ihr eigentlicher Autor oder wenigstens Kompilator war. Diese These wird aber von anderen Forschern bestritten. Die Schriften des B. Valentinus beweisen jedenfalls große Erfahrung in der Chemie. Er entdeckte die Salzsäure, das Ammoniak, das Goldoxidammoniak (Knallgold) und das Königswasser(eine Mischung aus Salpeter- und Salzsäure).


Die Zahl der aktiven und ernsthaften Alchemisten in der heutigen Zeit ist leider rapide gesunken, obwohl es sie noch gibt. Einer der letzten großen Alchemisten war der deutsche Albert Richard Riedel (*1911 -  †1984), der sich selbst später Frater Albertus (auch Albertus Spagyricus) nannte. Er ging 1929 in die USA und gründete 1960 die Paracelsus Research Society in Salt Lake City, die 1980 in das Paracelsus College umgewandelt wurde. Riedel war überzeugt, dass Transmutationen auch heute noch vereinzelt stattfinden. 1998 gab er im Verlag Samuel Weiser die „Praxis spagyrica philosophica lapidis philosophorum (oder deutliche und aufrichtige Anweisung, wie der alten Weisen ihr höchstes Geheimniss oder Stein zu verfertigen) eines anonymen Autors, erschienen in Leipzig 1711, in deutscher Übersetzung heraus. Riedel lehrte in den USA, Australien und Europa laborantische Alchemie in 14-tägigen Seminaren. Seine Schule wurde nach seinem Tod 1984 geschlossen. Seine Seminare werden in den Gebäuden der Alchemica GmbH in Tollwitz bei Bad Dürrenheim von seinem Nachfolger Dr. Werner Ch. Nawrocki seit 2002 heute noch durchgeführt.


Auch der deutsche Alchemist Alexander v. Bernus (*1880 - †1965) war davon überzeugt, dass es einzelnen Adepten tatsächlich gelungen sei, den Stein der Weisen herzustellen. Von Alexander v. Bernus besitzt die Badische Landesbibliothek eine bemerkenswerte Alchemie-Sammlung von etwa 580 Drucken und 18 Handschriften. Der Bestand gliedert sich in ca. 30 Titel des 16. Jahrhunderts, 180 Titel des 17. Jahrhunderts, ca. 250 Titel des 18. Jahrhunderts und 31 Titel des 19. Jahrhunderts. Bernus beschäftigte sich ab dem Jahr 1912 mit alchemistischen Studien und gründete 1921 das alchemystisch-spagyrische Laboratorium Stift Neuburg bei Heidelberg. Bekannte Mitstreiter von Alexander von Bernus waren der Naturheilkundige und Chemiker, Conrad Johann Glückselig (*1864, † 1934) und der Theosoph Dr. Rudolf Steiner (*1861, † 1925), beide Anhänger der Spagyrik, eine pharmazeutische und therapeutische Umsetzung der Alchemie. Die Arzneimittelherstellung und Therapie mithilfe alchemistischer Verfahrenstechniken, geht auf Paracelsus, zurück.

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