Opus Magnum

Die Zubereitung des Steins der Weisen (Lapis Philosophorum), galt als Meisterwerk der Alchemie, als großes Werk, das Opus magnum. In keiner alchemistischen Abhandlung wird die Bereitung des Lapis Philosophorum verständlich erklärt. Ein Rezept ist dennoch vorhanden, aber nicht ohne Weiteres mitteilbar, denn es handelt sich hier um eines der höchsten Geheimnisse, um ein Rezept, das nicht erraten oder verraten werden kann.

Der englische Osteopath Archibald Cockren (*1904), der sich ab 1924 der Alchemie widmete, beschreibt in seinem Werk „Alchemy Rediscovered and Restored" (1963)“ ziemlich genau die einzelnen Verfahrensschritte und Ergebnisse, ohne jedoch die verwendeten Substanzen konkret zu benennen.


Im Verlauf der Jahrhunderte entwickelte sich das Opus magnum zu einem unentwirrbaren Gemisch unterschiedlichster Anweisungen, die meist auf Analogien beruhten und den praktischen Prozess immer unverständlicher werden ließen. Die Anweisungen waren symbolträchtig, vieldeutig, in rätselhafter Sprache geschrieben und nur Eingeweihten verständlich. Anweisungen zur Herstellung des Steins können in einigen alchemistischen Schriften gefunden werden, so z.B. im Hauptwerk Fulcanellis "Mysterium der Kathedralen". Trotzdem bleibt die Herstellung des Steins der Weisen nur wenigen wahren Adepten vorbehalten, den die wahren Alchemisten schrieben nicht für die Allgemeinheit, sondern nur für wenige Auserwählte. Das große Werk aus den Schriften zu erlernen, ist schwierig. Man muss mit der Begabung zum großen Werk geboren werden, mit einer intuitiven Fähigkeit, die nicht durch schulmäßiges Erlernen ersetzt werden kann. Zur Vollendung des großen Werks bedarf es der Offenbarung, entweder durch einen eingeweihten Adepten oder durch innere göttliche Erleuchtung.


Der niederländische Alchemist Gerhard Dorn (* um 1530 † nach 1584) sagt in einer seiner wichtigsten alchemistischen Schriften dem Theatrum Chemicum aus dem Jahr 1602, Zitat: „Es ist unmöglich, dass irgendeiner der Sterblichen diese Kunst versteht, wenn er nicht vorher vom göttlichen Lichte erleuchtet wird“.


So drückt es auch ein Zeitgenosse des berühmten Alchemisten Basilius Valentinus und großer Anhänger der Alchemie, der böhmische Mönch und Dichter Johann von Tetzen, lateinisch Johannes Ticinensisaus. In dem von ihm verfassten lateinischen Gedicht mit der Überschrift „Processus de lapide Philosophorum“ (oder von d. Zubereitung d. Steins, d. Weisen, u. andern raren Kunststücken u. Geheimnissen) schreibt er, Zitat: „Lapis candens fit ex tibus, ulli datur nisi quibus, Dei fit spiramine, Matris ventre quos beavit, Hanc ad artem destinavit, Sacroque sancimine“ was übersetzt heißt: Der glanzvolle Stein entsteht aus drei Prinzipien und wird nur denen gegeben, die mit dem Heiligen Geiste begnadet sind, die Gott schon im Mutterleib gesegnet und mit heiliger Weihe (nämlich mit der Feuertaufe des Geistes) zu dieser Kunst bestimmt hat. Aus der Sichtweise der Astrologie betrachtet, will Johann von Tetzen damit sagen, dass, derjenige nicht von der roten Tinktur träumen möge, der ein schlechtes Horoskop hat. Nur wenn Mond, Merkur und Saturn sich im Horoskop gut gestellt finden, vermag der Mensch vielleicht zur Vollkommenheit in der Alchemie gelangen. Es wird sogar eine bestimmte Stellung der Gestirne in der Geburtsstunde eines Menschen als erste Bedingung dafür erachtet, dass dieser Mensch überhaupt zur Alchemie taugt.


Auch Paracelsus sagt in seiner Schrift „De tinctura physicorum“, Zitat: „wer nicht der alten Astronomen Brauch versteht, ist nicht von Gott in die Alchemie geboren noch von der Natur zu Vulkans Werk (der Metallverwandlung) erkoren“.


Seit alters hergibt es Beziehungen zwischen Alchemie und Astrologie. Die mittelalterlichen Theorien der Alchemisten ergaben sich nicht nur aus ihren experimentellen Erfahrungen, sondern auch aus Lehren der Astrologie. Die alchemistischen Zeichen für die Metalle waren identisch mit den Zeichen der Planeten, denen sie entsprachen. Die für die Herstellung des Steins der Weisen günstigste Zeit, hing in hohem Maße von den Bewegungen der Planeten ab.


Der deutsche Chemiker Hermann Koop (*1817 - †1892), einer der ersten Historiker der Chemie, verweist in seinem Werk "Die Alchemie 1886" auf die 1569 veröffentlichte „Archidora“ des Alchemisten Leonhard Thurnmeyßer (*1530 - † 1595), in welcher für die Ausführung verschiedener alchemistischer Prozesse, die astrologischen Konstellationen und Aspekte, unter welchen man die Arbeiten vornehmen sollte, geschrieben steht. Der Einfluss der Planeten, insbesondere die Konstellationen von Sonne und Mond, auf die Stunden, Tage, Monate und Jahre waren wichtig für die Arbeit der Alchemisten. Nach Ansicht des Alchemisten Thomas Norton sollte das große Werk zugleich mit dem Eintritt der Sonne in den Widder beginnen und enden, wenn sie im Zeichen der Sonne stand. Der Alchemist Basilius Valentinus beschreibt in seinem Gedicht "Vom ersten und höchsten Planeten Saturn" die wesentliche Rolle des Saturn beim großen Werk, dem Opus Magnum.


Die folgenden Zuordnungen von Planeten, Tagen, Zeitabschnitten und Zahlen wurde von den meisten Alchemisten benutzt:

Um herauszufinden, welcher planetarische Einfluss an einem bestimmten Tag und zu einer bestimmten Uhrzeit vorherrscht, ist wie folgt vorzugehen:


Beispiel: Sonntag 8:00 Uhr


 Der kabbalistische Wert des Sonntags (6) aus Tabelle 1 wird mit dem kabbalistischen Wert des gewünschten Zeitabschnitts aus Tabelle 2 addiert. Acht Uhr vormittags entspricht der Phase A und der kabbalistische Wert ist 1, was zu folgender Addition führt: 6 + 1 = 7. Folglich ist der Einfluss der Venus vorherrschend. Wenn sich beim Zusammenzählen eine zweistellige Zahl ergibt, ist diese auf eine einstellige Zahl zu reduzieren. Dies geschieht, indem immer der Wert 7 abzuziehen ist, wenn die Summe größer als 9 ist.

 

Beispiel: Dienstag 21:00 Uhr:  Wenn die erste Addition  5 + 5 = 10 ergibt, so ist 10 - 7 = 3, daher steht der Dienstag um 21:00 h unter dem Einfluss des Saturns.


 Alle alchemistischen Prozesse bauen auf der spagyrischen Dreiheit auf:


1 Philosophische Putrefaktion = Die Putrefaktion der Alchemisten ist im chemischen Sinne eine langsame Oxidation, Kalzination, im weitesten Sinne eine Pulverisierung. Putrefaktion bedeutet im Sprachgebrauch der Alchemisten auch extrahieren, zersetzen mit einem flüssigen Lösungsmittel, im Regelfall mit Wasser, aber auch Mineralsäuren. Ein fester Körper wird aufgelöst und bildet mit dem flüssigen Lösungsmittel eine Einheit. Er wird flüssiggemacht, wie die Alchemisten manchmal zu sagen pflegten. Fügt man ein Präzipitationsmittel zu der Lösung hinzu, so erscheint wieder ein fester, nun aber pulverisierter Stoff. Durch die Putrefaktion wird die Substanz aufgeschlossen, nur der pulverisierte, aufgeschlossene Körper bleibt zurück, deshalb die Bezeichnung putrefiziert = Zersetzung, da bestimmte nicht erwünschte Eigenschaften herausgelöst werden. Wird ein Metall putrefiziert, also in einem geeigneten Lösungsmittel aufgelöst und anschließend wieder ausgefällt, so fehlen dem Präzipitat (Metallpulver) die Eigenschaften der regulinischen Metalle. Erst nachdem das Pulver zu einem regulinischen Metallkörper zusammengeschmolzen wurde, kommen die typischen metallischen Eigenschaften, wie Härte, Glanz, Elastizität, Schmiedbarkeit etc. wieder zum Vorschein. Die Putrefaktion folgt gewöhnlich auf die Solution und wird oft mit der Digestion und Zirkulation verwechselt. Manche Alchemisten betrachten die Putrefaktion als den vierten Grad des großen Werks, obwohl sie der erste ist. Wird die Reihenfolge missachtet, misslingt das Werk. Wenn man auf einen Körper wirken will, muss man ihn zunächst putrefizieren. So wird er geöffnet und einer Verwandlung einer Evolution ausgesetzt, weil das der Weg ist den die Natur verfolgt.


2 Philosophische Zirkulation = Digestion: (Solve et coagula) : mach das Fixe flüchtig und das Flüchtige fix. Das Flüchtige nimmt und lässt das Fixe mit sich aufsteigen, dieses lässt das Flüchtige wieder niedersinken. Das Prinzip besteht aus einem kontinuierlichen Verdunsten mit Rückflussverfahren. Bei der philosophischen Zirkulation wird ein Rückflusskühler (siehe Bild rechts) aus Glas auf die Apparatur aufgesetzt. An den Kühlflächen können sich die während der Reaktion gebildeten Dämpfe kondensieren und der Reaktionsmischung immer wieder zugeführt werden.


3 Philosophische Destillation= der Vorgang ist so oft zu wiederholen bis kein Rückstand mehr in der Retorte bleibt, das heißt, dass man das Destillat auf den (evtl. zwischendurch auch kalzinierten) Rückstand zurück zugießen und von Neuem zu destillieren hat. Mithilfe dieser alchemistischen Technik werden pflanzliche, mineralische und tierische Ausgangssubstanzen auch zu Spagyrika verarbeitet. Paracelsus beschreibt das Wesen der Destillation so, Zitat: "Durch die Destillation scheidet sich zuerst das Phlegma, dann der Mercurius, dann das Oel, drittens das Harz, viertens der Sulphur und fünftens das Sal.


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